Süchtig nach Essen? – Food Addiction ist real!

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Viele kennen die Problematik: man ist eigentlich nicht (mehr) hungrig, kann aber einfach nicht aufhören zu essen.

Woran liegt das? Und kann man etwas dagegen tun?

Eine Thematik die in der Fachliteratur leider noch nicht wirklich angekommen ist, ist „Food Addiction“ (dt. Sucht nach Essen). Aber in den USA gibt es bereits Experten, Psychologen und Ärzte, die das Thema adressieren und versuchen aufzuklären.

Food Addiction ist real!

 

Unsere (un)natürliche Umwelt

Wer Food Addiction verstehen möchte, der muss eine Reise in unsere evolutive Vergangenheit wagen.

Homo sapiens ist wie alle andere Lebewesen auf einfachen Instinkten aufgebaut:

  1. Pleasure Seaking (Dinge suchen die uns gut tun)
  2. Pain Avoidance (Dinge meiden die uns weh tun)
  3. Energy Conserving (Energie sparen)

In unserer Entstehungsgeschichte haben uns diese drei Grundregeln überleben lassen und sie sind Voraussetzung für das Überleben aller Lebewesen.

Pleasure-Trap
siehe auch Vortrag auf YouTube von Doug Lisle

 

REGEL 1: Pleasure Seaking

In der Natur gibt es nur zwei Tätigkeiten die unser Belohnungszentrum feuern lassen: Sex und essen

Wenn wir eine dieser zwei Tätigkeiten nachgehen, dann belohnt uns unser Körper mit Dopamin. Dieser Neurotransmitter wirkt anregend auf unser Gehirn und wir fühlen uns gut. Im Bezug auf Nahrung gibt es dabei verschiedene Abstufungen. Denn je kcal-reicher ein Nahrungsmittel ist, desto mehr Dopamin wird ausgestoßen. So regt das Gehirn an, dass wir möglichst kcal-dichte Nahrungsmittel suchen und zu uns nehmen, um das Überleben zu sichern.

Bsp: Wie gut fühlt sich ein Blatt Salat im Vergleich zu einem Stück Schokolade an? Salat gilt zwar als Nahrungsmittel, aber unser Gehirn wird darüber nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen.

Andere Substanzen auf die unser Belohnungssystem reagiert, sind Drogen. Man kann eine Dopamin-Sucht entwickeln – mittels Drogenmissbrauch, aber auch mittels Nahrungsmittel, die so stark verändert wurden, dass sie einen extra hohen Domamin-Ausstoß auslösen. Dazu kommen wir im nächsten Abschnitt.

REGEL 2: Pain Avoidance

Hunger ist ein Signal, welches wir oft nur schwer ertragen können und wenn wir es zu lange ignorieren, kann es sogar schmerzhaft werden. Eine kleine Erinnerung unseres Körpers daran, dass wir regelmäßig Nahrung aufnehmen sollen.

REGEL 3: Energy Conserving

Den Weg des geringsten Widerstands zu gehen ist ebenfalls ein Überlebensmechanismus. Der Körper verschwendet nicht gerne Energie. Darum fällt es uns auch so schwer uns für Sport zu motivieren. Unser evolutiv altes Gehirn hält übermäßige Bewegung für unnötige Energieverschwendung.

Das ist aber nicht nur mit Sport so, sondern zeichnet sich in allen Lebenslagen ab: automatische Türen, Rolltreppen, Aufzüge, etc.

Ein nettes Experiment: Geht mal in ein Gebäude mit mehreren Eingangstüren in einer Reihe (falls ihr überhaupt noch eines findet, welches keine automatischen Türen hat) und macht eine auf – ganz egal welche. Der Großteil der Menschen wird durch die offene Türe gehen und sich nicht die Mühe machen eine Türe selbst durch Kraftaufwand zu öffnen. Selbst, wenn diese näher liegt. Das Gehirn macht dabei eine schnelle Kosten-Nutzen-Rechnung, was anstrengender ist: ein paar Schritte mehr oder der Kraftaufwand für die Türe. Meist gewinnen die Schritte.

 

In unserem natürlichen Umfeld waren diese Mechanismen sinnvoll und gut. Aber dieses natürliche Umfeld existiert nicht mehr. Unsere Welt und unsere Nahrungsmittel haben sich verändert. Der Mensch hat sie aus Gründen der Bequemlichkeit und für mehr finanziellen Profit aktiv verändert – auf Kosten der Gesundheit der Gesellschaft.

Buchempfehlung: „The Pleasure Trap“ von D.Lisle und A.Goldhammer

 

Das Belohnungszentrum ansprechen

Die Lebensmittel Industrie kennt die tief verankerten Instinkte der Menschen und nutzt sie zu ihrem Vorteil. Die Lebensmittel die man im Supermarkt findet, sind so designed, dass sie das Belohnungszentrum maximal ansprechen. Damit viel gegessen wird und auch viel nachgekauft wird. Menschen werden von der Lebensmittel Industrie stark beeinflusst, ohne es überhaupt zu wissen.

Die Tricks der Lebensmittel Industrie, um die kcal-Dichte ihrer Produkte zu erhöhen sind vielfältig:

  • Ballaststoffe entfernen
  • Wassergehalt minimieren
  • stark verarbeiten und damit die Verdauung erleichtern
  • Mischung von Salz, Fett und Zucker

 

Mit diesen (und anderen) Methoden werden die Lebensmittel für uns in einem unnatürlichen Ausmaß „schmackhaft“ gemacht und das Gehirn produziert bei ihrem Verzehr so viel Dopamin, dass wir uns wahnsinnig gut fühlen, wenn wir diese Lebensmittel essen.

Buchempfehlung: „Fat, Sugar, Salt – How the Food Industry hooked us“ von WH Allen

Unser Verdauungssystem ist intelligent und beinhaltet genau so viele Nerven wie unser Gehirn (man nennt den Darm deshalb auch das zweite Gehirn). Gehirn und Verdauung kommunizieren miteinander.

Der Magen hat Sensoren für kcal-Dichte, Nährstoff-Dichte und Volumen. Bei diesen Designer-Lebensmitteln werden aber vorallem die Rezeptoren für kcal-Dichte angesprochen. Nährstoffdichte (Ballaststoffe, Vitamine und Mineralien) und Volumen werden von der Lebensmittel Industrie aktiv reduziert, um die kcal-Dichte zu erhöhen.

Ein extra hoher Dopamin-Ausstoß durch diese unnatürlich hohe kcal-Dichte wird außerdem mit der Zeit vom Gehirn runterreguliert (= Gewöhnungseffekt) und das gute Gefühl lässt nach. Wir brauchen also mehr von den Lebensmitteln, um das zuvor empfundene „High“ wieder zu erreichen. Wir versuchen die Volumen-Rezeptoren ebenfalls an Bord zu holen, um den Dopamin-Ausstoß wieder in die Höhe zu treiben.

Da die Anforderungen der Nährstoffdichte aber eher selten durch diese Designer-Nahrung gestillt werden (vorallem was die Ballaststoffe angeht), bleibt immer ein gewissen Hungergefühl zurück – egal wieviel von diesen Lebensmitteln gegessen wird. Unsere Verdauung und unser Gehirn sind also niemals ganz „zufrieden“, da trotz enormer Nahrungsmengen eine Grundanforderung nicht erfüllt wird.

 

Überessen als Droge

Essen kann uns also glücklich machen und uns ein angenehmes Gefühl verschaffen – dank dem Neurotransmitter Dopamin.

Nicht alle Menschen sind anfällig für diese Art von Sucht-Verhalten. Besonders betroffen sind hochsensible Personen (siehe Blog Hochsensibilität erkennen (HSP) ) denn sie verfügen über ein sehr sensibles Nervensystem, welches stark auf Reize reagiert. HSP machen etwa 20% der Bevölkerung aus.

Auch nicht hochsensible Personen können betroffen sein. Ihnen fällt der Ausstieg aus dieser Spirale aber meist leichter.

Es gilt: Wer sich regelmäßig mit einem Essens-High belohnt, oder es zur Angewohnheit wird, Stress, Angst, Wut und Sorgen durch Essen abzubauen, der gerät schnell in ein Sucht-Verhalten. Egal wieviel man isst, man ist niemals wirklich satt.

Buchempfehlung: „Food Junkies“ von Vera Tarman

Diät Spirale

Viele versuchen vergeblich mittels Diäten aus dieser Misere zu entkommen. Aber jeder weiß, dass eine Sucht ein harter Gegner ist.

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Meist läuft das ganze so ab: Man isst unter der Woche „brav seinen Salat“ und die Laune nimmt von Tag zu Tag rapide ab. Am Wochenende dann die „Erlösung“ durch das Cheat-Meal oder den Cheat-Day, wo man endlich wieder sein Dopamin-High bekommt. Man kann nicht aufhören zu essen, obwohl man es versucht. Man überisst sich heillos, gelobt aber Besserung. Montag beginnt der Kampf von neuem.

Durch die immer wieder zu hohe kcal-Zufuhr am Wochenende (vorallem aus Fett und Zucker) wird das kcal-Defizit der Woche wieder ausgeglichen oder häufig sogar überschritten –> man nimmt immer weiter an Körperfett zu. Man kämpft. Man verliert. Frustration und depressive Verstimmungen sind oft die Folge.

 

Eine Sucht bekämpfen

Wer aus dieser Spirale entkommen möchte, der muss das Problem an der Wurzel packen.

Schauen wir uns mal andere Sucht-Probleme an: Alkohol, Drogen, Spielsucht

Sie alle haben gemeinsam, dass sie über das Belohnungssystem im Gehirn laufen. Genauso wie die Sucht nach Essen. Für die drei oben genannten Formen ist der erste Schritt klar: Abstinenz.

Ein Alkoholiker sollte keinen Alkohol trinken und ihn auch nicht in der Nähe haben. Ein Drogen-Süchtiger sollte keine Drogen mehr bekommen und jemand mit Spielsucht nicht ins Casino gehen. Das ist jedem sofort klar. Hausverstand quasi.

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Aber wenn es sich um die Sucht nach Essen handelt, dann scheitert dieser Hausverstand kläglich. Denn essen muss man ja schließlich.

Fakt ist, dass die Sucht-Reaktion aber nicht von allen Lebensmitteln ausgelöst wird, sondern ausschließlich von bestimmten Lebensmitteln. Dass die Designer-Lebensmittel der Industrie darunter fallen ist glaube ich jedem klar. Aber auch andere Lebensmittel, welche nur leicht verarbeitet wurden zB. Nussbutter können dem Gehirn einen Kick geben. Das ist von Person zu Person unterschiedlich und muss in Eigenstudie herausgefunden werden.

Merke: Solange die Lebensmittel, welche den Dopamin-Rausch bei dir hervorrufen in deiner Ernährung enthalten sind, wirst du niemals vom Sucht-Verhalten loskommen.

 

Abstinenz als Lösung

Viele mögen diese Maßnahme als zu hart und einschränkend erachten, aber wenn man nicht in der Haut eines Sucht-Kranken steckt, kann man auch selten nachvollziehen welche seelischen und körperlichen Qualen eine Sucht verursachen kann.

 

Kommentar der Autorin:

Ich selbst bin eine HSP und habe lange unter der Überreizung des Belohnungssytems im Gehirn gelitten. Abstinenz hat mich befreit. Endlich habe ich die Kontrolle über mein Leben zurück. Ich persönlich sehe die Abstinenz von Desinger-Lebensmitteln nicht als Einschränkung, sondern als Befreiung.

 

Der erste Schritt zur Besserung, ist es sich einzugestehen, dass man dieses Problem hat. Dass man keine Kontrolle hat, wenn man bestimmte Lebensmittel zu sich nimmt. Wer sich das eingesteht und sich willentlich dafür entscheidet, diesen Suchtmitteln den Rücken zu kehren, der begibt sich auf den Weg der Besserung.

 

Was kann ich jetzt noch essen?

Als Abstinenz Ernährung eignet sich eine Ernährung aus unverarbeiteten Lebensmitteln. Damit sind Nahrungsmittel gemeint, die so wie sie in der Natur vorkommen gegessen werden können, oder nur durch sehr leichte Verarbeitungsschritte durch müssen, um genießbar zu werden zB. das Kochen von Kartoffeln und Reis.

Eine Ernährung reich an Ballaststoffen, mit geringer kcal-Dichte und mit großem Volumen sind hilfreich beim der Umstellung. Lebensmittel die diese Anforderungen erfüllen sind Obst und Gemüse, sowie Stärkehaltige Lebensmittel wie Wurzelgemüse und Getreide.

Die folgende Tabelle zeigt Lebensmittel geordnet nach ihrer kcal-Dichte pro 500g (so eine, mit zusätzlicher Erklärung, bekommt ihr als PDF geschenkt, wenn ihr euch im Blog Pop-Up für meinen News-Letter anmeldet).

Tabelle kcal-Dichte

 

Ursprung hat dieses System im UWL-Programm von Chef AJ („eat to the left of the red line“), welches ich jedem „Food Addict“ ans Herz legen kann. Ebenso wie ihre zahlreichen YouTube Videos und die Serie „Weightloss Wednesday“.

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Chef AJ ist eine Pionierin am Gebiet der „Food Addiction“ und leistet seit Jahren großartige Aufklärungsarbeit.

Ihr Buch „The Secret to Ultimate Weighloss“ findet ihr auch in der Liste meiner Buchempfehlungen. Sowie ihr Kochbuch „Unprocessed“ wo ihr viele leckere Rezepte für Food Addicts finden könnt.

 

 


 

Ich hoffe mit diesem Blog einigen Betroffenen weiterhelfen zu können und auch den Angehörigen der Betroffenen einen bessere Einsicht in diese Thematik geben zu können.

Unterstützung des Umfelds auf dem Weg raus aus der Ess-Sucht ist unerlässlich.

 

Autorin: Katharina Stütz, BSc6FB29156-02F2-42F3-ADD8-E2A72E2E20E2

Head Coach Fitness Glam Coaching

2 Gedanken zu “Süchtig nach Essen? – Food Addiction ist real!

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